Steckbrief
Performer Ich trete seit etwa 20 Jahren immer wieder und gerne in eigenen Inszenierungen auf, meist zusammen mit Nic Schmitt im Duo Schmitt&Schulz.
Regisseur Seit 1998 habe ich unzählige Performances inszeniert, viele davon gemeinsam mit Nic Schmitt.
Kurator An der Universität Mainz engagierte ich mich als organisatorischer Leiter der Unibühne und war Ansprechpartner für alle Theatergruppen. Als künstlerischer und organisatorischer Leiter habe ich zwölf Jahre lang zusammen mit Nic Schmitt das performance art depot in Mainz geleitet und dort viele Künstler*innen eingeladen und so einen Spiel- und Produktionsort mit ganz eigenem Profil geschaffen.
Für das kulturelle Leben in Mainz habe ich mich neben meiner Aufgabe als Leiter des pad auch in zahlreichen Meetings, Kongressen und Workshops eingesetzt und bin seit vielen Jahren aktives Mitglied des Kulturbäckerei e.V., davon zwei Jahre im Vorstand.
Nebenberuf, Privates, Hobbies Im Nebenberuf bin ich ehrenamtlicher Ortsbürgermeister der Gemeinde Mandel bei Bad Kreuznach. Ich lebe mit meinem Ehemann, Michael Matthias im ehemaligen Jagdschloss Koppenstein, als Hobby fahre ich einen alten Heckflossen-Mercedes von 1967, (im Alltag einen Smart). Für andere Hobbies habe ich keine Zeit, da die Arbeit als Regisseur, Performer, Kurator UND Ortsbürgermeister meinen Terminkalender mehr als ausfüllt. Freizeit nehme ich mir aber bewusst am Wochenende, gehe mit meinem Ehemann zusammen auf Wanderschaft oder in Wellness-Oasen saunieren. Einmal im Jahr fahren wir in Urlaub, entweder an die Nordsee oder in die Berge.
Ansichten Ich übe meine Tätigkeiten prinzipiell nicht aus, um Geld zu verdienen, sondern weil ich gerne etwas für die Gesellschaft tun, etwas beitragen möchte. Ich setze mich gern für Menschen ein und würde die Welt gern wenigstens im Kleinen ein wenig verbessern. Dabei sind mir wichtig: Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Kultur und Vielfalt, Respekt, Toleranz, Chancengleichheit, Fairness, Innovation und Tradition. Ich setze mich dafür ein, alte Werte zu bewahren (Denkmäler, Historisches Kulturgut jeglicher Art), bin für einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen (reparieren statt wegwerfen, erneuerbare Energien verwenden und/oder weniger verbrauchen) und möchte gleichzeitig Neuerungen gegenüber immer offen sein (Digitalisierung, Anpassung von Werten einer sich ständig verändernden Gesellschaft). In meinen beiden Berufen kann ich mich für diese Werte auf unterschiedliche Weise einsetzen. Geld verdiene ich dabei nur so viel wie es nötig ist, um ein glückliches Leben zu führen, in dem ich alles habe, worauf ich Wert lege. Für eine Familie mit Kindern ist in diesem Leben kein Platz, meine sexuelle Orientierung hätte eigene Kinder ohnehin nicht hervorgebracht. Mit meinem Ehemann lebe ich seit fast dreißig Jahren glücklich zusammen und wünsche mir, dass das auch so bleibt.
Motivation
Warum eigentlich Performance?
Performance will keine Fiktion. Performance will meistens echt sein, greifbar, authentisch, real. Falls es das gibt. Der Ort einer Performance ist dort, wo sie gezeigt wird und behauptet nicht, dass die Handlung an einem anderen Ort passieren würde. Daher ist die Handlung auch keine Handlung, sondern eine Aktion oder mehrere verschiedene Aktionen. Die agierenden Personen sind auch in der Regel die Menschen, die man vor sich sieht. Sie stellen sich selber dar oder etwas Abstraktes aber sie sind keine Figuren wie im Theater, es sei denn, sie stellen eine Figur bewusst aus. Eine Illusion schaffen sie aber nicht, außer der Illusion, dass das, was man als Zuschauer*in zu sehen bekommt, behauptet, authentisch zu sein. Zuschauer*innen sind für den Performer anwesend. Er/sie spielt nicht gegen eine vierte Wand sondern immer für die Leute, die da sitzen, stehen oder rumlaufen. Ihre Reaktionen geben der Performance nicht nur Energie, sie beeinflussen oft auch das Geschehen. Das sind ein paar Eigenschaften, die ich hinsichtlich des Performance-Begriffs für zentral halte, wirklich greifbar zu definieren ist der Begriff aber kaum.
Performance ist seit über dreißig Jahren in meinem beruflichen Leben (und war auch im Studium) mein Hauptfokus. Schon Anfang der neunziger Jahre habe ich mit damals knapp über zwanzig – fasziniert von den frühen Inszenierungen von Robert Wilson – angefangen, Ideen zu entwickeln für eigene Inszenierungen, habe mir irrsinnig viele Performances und natürlich auch andere Theater- und Kunstformen angeschaut, Visionen vom eigenen Spielort erträumt und eine enorme Begeisterung für authentische Formen der Darstellung entwickelt. Bei Robert Wilson ist das Zusammenspiel von Bewegung, Lichtraum, Sprache und Musik so perfekt rhythmisch miteinander verwoben, dass es eine unbeschreibliche Faszination ausübt. Bewegung ist ein so wichtiger Faktor jeglicher Inszenierung, dass ich gleichermaßen die zeitgenössische Tanzszene verfolgt habe, die – wie ich finde – nicht von der Performance-Szene getrennt zu betrachten ist. Sie hat ähnliche Prämissen, bezieht sich auf die gleichen Diskurse, und bei sehr vielen Produktionen ist unklar, ob sie nun als Tanzperformance, performativer Tanz oder choreografische Performance zu bezeichnen sind, Bezeichnungen für Mischformen gibt es haufenweise.
Ich schätze es sehr, wenn Inszenierungen es schaffen, mich in den Bann zu ziehen, indem sie mich auf irgendeine Weise mitreißen. Spannende Raumkonzepte, ein authentischer Umgang mit körperlicher Präsenz, Sprache, die echt ist und nicht einstudiert und rhetorisch geschickt daherkommt, Überraschungen, also wenn meine Erwartungshaltung total überrumpelt wird, Komik durch Selbstironie und Absurdität, ästhetische Frechheiten aber auch Minimalismus, die Faszination hypnotischer Wiederholungsschleifen oder auch extrem lange Dauer, scheinbarer Stillstand, absolute Konzentration auf Slow Motion oder auf einzelne Elemente, entspannende ästhetische Klarheit – all das sind Faktoren, die eine Faszination und Begeisterung bei mir auslösen können. Und solche Momente versuche ich auch selber für meine Zuschauer*innen zu schaffen. Dabei ist Humor etwas sehr Wichtiges für mich. Er passiert mir aber quasi automatisch, einfach dadurch, dass ich es nicht mag, wenn sich Künstler*innen auf der Bühne zu wichtig nehmen. Außerdem ist die Tatsache, dass ich mich selber darstelle und dabei Aktionen ausstelle, von denen ich behaupte, dass sie authentisch wären, die ich aber ja für ein Publikum gestalte, so absurd, dass schon die Grundsituation eine komische ist. Das ist wie bei Loriot, der Situationen aus dem Leben zeigt, das an sich komisch ist. So empfinde ich theatrale Situationen zwischen Zuschauenden und Performenden prinzipiell als absurd und komisch. Vielleicht spiele ich deshalb auch unglaublich gerne mit dem Fake und nehme das Als-Ob-Prinzip theatraler Darstellung gern auf die Schippe. Wenn ich minimalistische, konzentrierte Performance-Installationen oder Raum-Arrangements kreiere, sind diese aber meist nicht ironisch, sondern wollen die Betrachter erstaunen und fesseln.
Die Performance-Szene feiert oft Produktionen, die intellektuell durchdacht sind, die viele Preise bekommen haben und an renommierten Häusern zu sehen waren. Ich habe oft solche Produktionen gerade dann als langweilig empfunden, wenn ich sie „verstanden“ habe. Oder umgekehrt, wenn sie so kompliziert konstruiert waren, dass sie für mich zu „schlau“ waren, zu viel wollten oder mich belehren wollten. Man sollte als Performer nichts erklären oder vermitteln wollen, sondern sich im besten Fall immer selber fragen, was man da eigentlich gerade macht. Sobald man das selber für sich herausgefunden hat, wird es für die Zuschauenden dröge. Ein Künstler kann mich nicht durch seine Renommiertheit, Preise oder Cleverness beeindrucken, sondern ausschließlich durch sein Werk. Das war in den vielen Jahren, die ich mit meiner Teampartnerin Nic Schmitt unseren eigenen Spiel- und Produktionsort, das performance art depot (pad) in Mainz, aufbaute, organisierte und leitete, immer unsere absolute Prämisse, das oberste Gebot bei der Auswahl der Gastgruppen. Und so hatten wir sehr viele Neuentdeckungen, No-Name-Gruppen, die aber teilweise so geniale Projekte bei uns zeigten, dass es eigentlich schade ist, dass nur wenige von ihnen danach etwas bekannter wurden und mehr Auftritte bekamen. Verdient hätten es die meisten unserer Gastkünstler*innen.
Meine Motivation, so etwas wie Performance überhaupt zu machen, ist schon auch eine missionarische. Ich denke, ich kann als Performer und Regisseur die Welt anders zeigen. Mir gefällt es, wenn ich etwas ausdrücke, das jenseits der Kommunikation liegt – wenn Betrachter ein Gefühl mitnehmen, eine Stimmung, eine Ahnung, wenn sie entdecken, dass die Welt – auch IHRE Welt – größer und reicher ist, als sie es sonst wahrnehmen und dass alles auch anders sein könnte, als es ist und manchmal auch GLEICHZEITIG anders ist. Wenn sie entdecken, dass es gut ist, dass nichts definitiv gegeben ist, sondern dass wir nur wahrnehmen, uns austauschen und miteinander verhandeln, auf welche Wahrheiten wir uns einigen. Als eine solche Verhandlung sehe ich auch eine theatrale bzw. performative Situation an, die aber im Gegensatz zu unserem Alltag viel mehr Freiheiten bietet, im Sinne eines Alles-kann- nichts-muss. Und danach ist alles wieder erstmal so, wie wir es gewohnt sind. Das Spiel ist vorbei. Die Bilder und Töne klingen und wirken vielleicht noch nach. Ich mag es, wenn Zuschauer*innen auch mal irritiert sind, mal denken, dass sie nix kapieren, bis sie merken, dass es nichts zu verstehen gibt. Wenn sie eine Erkenntnis gewinnen, aber nicht, weil ich sie ihnen vermittelt habe, sondern weil sie sie in meiner Performance entdeckt haben, weil sie plötzlich eine Idee hatten und ihnen die eigene Weisheit auf die Füße gefallen ist.
Das war lang. Aber Sie haben es bis zum Schluss gelesen. Vielleicht setze ich den Text bald fort.
Bin ich ein „verrückter Künstler“?
Ja und nein. Ver-rückt-sein in einem positiven Sinne von nicht immer geradlinig, passgenau zu sein und nicht immer geradeaus zu denken und zu handeln, gehört zum Künstlerdasein schon dazu, sonst würden aus der künstlerischen Arbeit eher langweilige und uninteressante Werke entstehen. Als der Begriff Querdenker noch nicht durch Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker verpestet war, habe ich mich als einen solchen gesehen und bezeichnet. Denn Querdenken ist eigentlich ein kreatives Denken, dass durch Querbezüge neue Denkperspektiven öffnet. Für alle Künstler*innen ist diese Art des Denkens sehr wichtig, die oft als Verrücktheit gewertet wird.
Ich persönlich finde es wichtig, beides zu haben und beides zu können; ganz normal zu sein, ganz durchschnittlich, sich nicht von den Mitmenschen abzuheben und dies auch nicht zu wollen oder zu versuchen, sondern mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, aber sich die Fähigkeit zu bewahren, jederzeit vom besagten Boden für begrenzte Zeit abzuheben und die ungewöhnlichsten, ver-rück-testen Sachen zu machen, dann aber wieder auf Normalbetrieb umzuschalten und alltäglichen Dingen nachzugehen. Ich lebe diese beiden Seiten ganz bewusst. Es gibt Tage in meinem Alltag, da schreibe ich morgens an einem künstlerischen Konzept, mähe dann den Rasen, schreibe dann ein paar Emails oder mache Telefonate in meiner Funktion als Ortsbürgermeister unserer Gemeinde, habe dann vielleicht noch eine online-Performance-Improvisation in dem provisorischen Proberaum, den ich mir wegen Corona auf unserem Dachboden eingerichtet habe und nehme dann noch an einem Online-Meeting zum Thema Naturschutz in Neubaugebieten teil.
Ich versuche aber in der Regel schon, diese verschiedenen Tätigkeiten räumlich und inhaltlich voneinander zu trennen. Da das nicht immer funktioniert, ist es aber umso wichtiger für mich, in meinem Denken und Handeln die beiden Seiten klar voneinander getrennt zu halten.